Marschner-Konzept

Das MARSCHNER-Konzept

(Anfangsunterricht Deutsch an der HLS)

Frau Marschner war über viele Jahre als Sonderpädagogin an der Heinrich-Lüttecke-Schule in der Grundstufe im Anfangsunterricht tätig.

Da es zu ihrer Zeit weder eine Fibel noch Material für den Schrift-Sprach-Erwerb für SchülerInnen mit Sonderpädagogischen Förderbedarf gab, hat sie ein eigenes Lehr-werk für SchülerInnen mit Schwierigkeiten im Lernen geschrieben, was in den Folge-jahren immer wieder überarbeitet wurde.
Bis heute wird es an die neu auf den Markt kommenden Lehrwerke angeglichen und weiterhin genutzt, da sich die konzeptionelle Basis für unsere Schülerschaft sehr bewährt hat.
Um sichtbare Lernfortschritte beim Lesen lernen zu erreichen, sind

  • ein Vorgehen in kleinen Schritten,
  • das langsame, lückenlose Voranschreiten auf der Basis des Gekonnten sowie
  • wiederholende und aufeinander aufbauende Übungsprozesse notwendig.

Der Leselehrgang nach MARSCHNER legt diese Prinzipien zu Grunde.


Zu Beginn erlernen die SchülerInnen die ersten Buchstaben (die Grapheme M, O, A bzw. m, o, a in gemischt antiquarer Druckschreibung) mit Handzeichen kennen. Dabei werden die Marburger Handzeichen verwandt (s.g. „Phonomimisches Verfahren“). Danach werden erste Wörter und Silben gebildet.
Die Handzeichen haben bei der Erarbeitung den Vorteil, dass Schülerinnen den sprechtechnischen Vorgang der Lautsynthese ohne Schriftbild vollziehen und üben können. Sie können Verbindungen zwischen einzelnen Lauten herstellen ohne mit den Augen ein Wort aus Schriftzeichen zu fest zu fixieren.
Die Handzeichen für eine Silbe oder ein Wort werden ohne Lautierung vorgegeben.
Die SchülerInnen bilden die Handzeichen hintereinander und sprechen die Laute (Phoneme). Dabei versuchen sie, die einzelnen Laute miteinander zu verschleifen und anschließend das entstehende Wort in der richtigen Aussprache zu artikulieren. Das Verschleifen wird dabei durch das Ineinanderfließen der Bewegung unterstützt. Die SchülerInnen lernen außerdem, die Lautstruktur des Lautierwortes so lang im Kurzzeitgedächtnis zu halten, bis das Wort erkannt wird.


Zunächst werden einzelne Silben geübt (Mo, Om, am, ma, …) bis ein Wort entsteht (Momo, Oma). Unterstützt wird der Prozess zusätzlich über Silbenbögen unterhalb der Wörter.
Wenn die ersten Laut-Buchstaben-Verbindungen gefestigt sind, wird ein weiterer Buchstabe hinzugenommen und die Silben und Wörter entsprechend aufbauend erweitert. Die Reihenfolge der Einführung der Graphem-Laut-Verbindungen entspricht dabei denen der frühkindlichen Sprachentwicklung und sprachwissenschaftlichen Erkenntnissen (von den Nasallauten bis hin zu den im Rachen gebildeten Lauten). Hierdurch haben auch Kinder mit einer stark verzögerten Sprachentwicklung die Chance, die Schriftsprache mit der Zeit an der natürlichen Entwicklung angelehnt zu erwerben (der Artikulationsapparat sensibilisiert sich, Laute werden nicht mehr vorverlagert usw.).
Das Phonomimische Verfahren wird nicht von allen SchülerInnen im gleichen Maße genutzt, denn einige von ihnen sind sehr bald in der Lage, auf die Unterstützung der Geste zu verzichten, wenn eine Automatisierung des Gelernten stattgefunden hat. Andere nutzen die Methode individuell über einen längeren Zeitraum.

Nach und nach erweitern sich die Möglichkeit der Silben- und Wortbildung bis hin zu den ersten kleinen Sätzen, wobei auf die Verwendung einfach strukturierter Wörter aus dem Sprechwortschatz der Schüler und eine 1:1-Zuordnung von Laut zu Zeichen geachtet wird. Vokale und Konsonanten wechseln sich noch ab (z.B. Banane oder Elefant). Erst später treten Diphtonge (st, sp, sch, ch, ck, pf, tz…) und Clusterbildungen hinzu (schwimmst; Anhäufungen von Konsonanten).
Bei den ersten längeren Sätzen werden nicht mehr als 5-9 Wörter verwandt, bei denen Bilder zum Einsatz kommen, damit von Anfang an sinnhaftes Lesen in ganzen Sätzen ermöglicht wird.
Das MARSCHNER-Lehrwerk umfasst in Reihenfolge nummeriert 141 Arbeitsblätter, die konform zu den Schreibvorlagen verlaufen. Beide werden von den SchülerInnen nach und nach bearbeitet. Hierfür haben die Kinder Fächer, in denen sie das auf sie zugeschnittene Material finden, welches die Lehrerin gemäß der „Zone der nächsten Entwicklung“ dort vorrätig vorhält. Die Blätter werden mit der Bearbeitung von den SchülerInnen in entsprechende Mappen abgeheftet und in Abständen in Ordner geleert.

Über die Einführung des Wochenplans, Ritualisierungen und erlernte Arbeitsmethoden wird eine ruhige Arbeitsatmosphäre geschaffen, so dass jedes Kind in seinem Tempo voranschreitet. Die feste Lernzeit Deutsch liegt im ersten Block vor dem Frühstück und umfasst etwa 30 Minuten. Wenn die Personalsituation es erlaubt, soll jedes Kind jeden Tag seine aktuellen Leseblätter der Lehrperson oder einem anwesenden Erwachsenen vorlesen. Die Klassenlehrerin markiert für die Hausaufgaben mit grünem Stift die Bereiche, die bis zum nächsten Tag von dem Kind geübt werden sollen (Lesen und Schreiben).
Seit einigen Jahren gibt es Lehrwerke auf dem Markt, die für SchülerInnen mit Förder-bedarf Lernen geeignet sind. Das Lehrwerk KLICK von Cornelsen wird derzeit in der HLS ergänzend genutzt. Es besteht aus drei Teilen und die Buchstaben-Laut-Folge wurde von Frau Wohlfart in das MARSCHNER-Konzept eingepflegt.

Hat ein Kind alle Buchstaben-Laut-Verbindungen und Diphtonge erworben, endet das MARSCHNER- Konzept und kleine Lektüren, Texte und Materialien für Erstleser treten hinzu, damit sich die Lesefähigkeit festigt und ausbaut. In den Folgejahren wird mit den KLICK-Lehrwerken gearbeitet.
Schulinterne Evaluationen haben gezeigt, dass nahezu jedes Kind innerhalb von drei Jahren den Schriftspracherwerb abschließen kann. Ab der vierten Klasse wird das Üben des flüssigen, betonten und vorausschauenden Lesens verstärkt geübt.

Sehr jung eingeschulte Kinder benötigen u.U. eine Art „Vorschuljahr“, um Symbollesen, phonologische Bewusstheit und die Arbeit mit dem eigenen Namen anzubahnen. Sobald ein Kind jedoch in der Lage ist, einzelne Laute mit Handzeichen zu erfassen, kann das Konzept beginnen.
Aus diesem Grund würde das MARSCHNER-Konzept für Vorschulkinder eine hervorragende Option bieten, um entwicklungsbedingt mit dem Lesen starten zu können (statt warten zu müssen, bis das erste Schuljahr im Sommer beginnt).

Bad Arolsen, Februar 2018